In der Caritas-Sozialberatung.Nothilfe wurden 2018 insgesamt 6.995 Beratungsgespräche geführt. Doch wer sind die Menschen, die in unsere Beratungsstellen kommen? Welche Schicksale stecken dahinter?
Wolfgang Doleschall ist 62 Jahre alt und geschieden. Er lebt alleine mit zwei Katzen im Waldviertel. Die familiäre Situation ist nicht ganz einfach, zu seiner Tochter hat er jedoch Kontakt. Wir besuchen ihn zu Hause, die Wohnung wirkt sauber und aufgeräumt. Er bietet uns Kaffee und Butterkekse an. Die Katze schmiegt sich während unseres Gesprächs eng an ihn, er streichelt sie liebevoll.
Herr Doleschall ist gelernter Kaufmann, nach der Konsumpleite in den 80er-Jahren hat er sich in der Werbe- und Messebranche selbstständig gemacht. Das lief einige Zeit sehr gut, Wolfgang Doleschall konnte ein angenehmes Leben führen. Doch dann kam der erste Tiefschlag: Ein Kunde konnte nicht zahlen, eine beachtliche Summe Geld blieb aus. Danach war Herr Doleschall in einem großen Verein angestellt, dieser ging jedoch in Konkurs. Es folgten Arbeitslosigkeit und Scheidung.
Über das Arbeitsmarktservice wurde Wolfgang Doleschall gut betreut. Eine Umschulung zum Zimmerer wurde ihm ermöglicht: für Herrn Doleschall ein wirklicher Neuanfang, und ein vollkommen neuer Berufsweg. Anfangs hat es mit seinem neuen Job sehr gut funktioniert, auch Arbeit für einen Zimmerer war genug da. Dann bekam er allerdings gesundheitliche Probleme mit der Wirbelsäule und musste seinen Beruf aufgeben.
„Aufgrund meines Alters habe ich bis heute keinen Arbeitsplatz mehr gefunden. Seitdem halte ich mich mit der Mindestsicherung über Wasser. Es reicht allerdings hinten und vorne nicht“, erzählt Wolfgang Doleschall.
Reduktion auf das Minimum
Sein Auskommen hat er auf das absolute Minimum reduziert, für Miete und Essen. Es sind keinerlei zusätzliche Ausgaben möglich: keine Kleidung, keine Kultur, keine Freizeitaktivitäten. Manchmal borgt er sich Geld aus oder verrichtet kleine Arbeiten, wie Ausmalen oder Gartenarbeit, zum Beispiel im Tausch gegen einen gebrauchten Laptop. Außerdem baut er Gemüse und Erdäpfel selbst an, um kein Essen kaufen zu müssen.
„Vergangenes Jahr habe ich gedacht, ich schaffe es doch noch“, erzählt er weiter. „Ich hatte eine Jobzusage beim Hilfswerk im Rahmen der Aktion 20.000. Ich war supermotiviert und glücklich, dass ich nun doch einen Job bis zur Pension haben würde. Einen Tag bevor der Vertrag unterzeichnet wurde, hat die Regierung die Aktion 20.000 gestrichen. Ich war am Boden zerstört.“ Also blieb wieder nur der Weg zum Sozialamt.
„Dort habe ich vor drei Jahren auch erstmals von der Möglichkeit der Unterstützung durch die Sozialberatung der Caritas erfahren, dass ich es da mal versuchen könnte“, erinnert sich Wolfgang Doleschall. „Davor habe ich das nicht gewusst. Ich habe die Caritas eher als internationale Hilfsorganisation wahrgenommen, Zum Beispiel bei großen Katastrophen. Dass einem als Einzelperson im Kleinen auch geholfen wird, war mir nicht bewusst.“
Das kann sich nicht ausgehen
Ein großes Problem für Herrn Doleschall ist im Winter das Heizen. Deshalb wohnt er auch im Winter zeitweilig bei einer gut bekannten Familie in einem anderen Ort, weil er es finanziell nicht schafft, das kleine gemietete Haus sechs Monate durchzuheizen. Vor drei Jahren war Wolfgang Doleschall das erste Mal bei Martina Floh in der Caritas-Sozialberatung.Nothilfe in Waidhofen/Thaya. Er hat alle Unterlagen offengelegt und es war schnell klar: Das kann sich nicht ausgehen. Die Rechnung für das Holz zum Heizen wurde ihm von der Caritas-Sozialberatung aus Spendenmitteln bezahlt, auch Caritas-Gutscheine für das carla Krems hat er erhalten. Im Sozialmarkt in Krems konnte er mit einem Einkaufspass Lebensmittel beziehen.
„Früher habe ich oft selbst dem carla Krems gespendet, Kleidung oder Möbel hingebracht. Nun gehe ich dorthin, um mit Gutscheinen Kleidung oder Hausrat einzukaufen“, erzählt Herr Doleschall. Erst vor Kurzem hat ihm Martina Floh wieder mit Gutscheinen für den OBI-Markt geholfen. Damit konnte er für den Winter Holz zum Heizen einkaufen. „Die Caritas hat mir sehr geholfen. Wenn ich finanziell wieder auf die Füße komme, werde ich selbst spenden, das habe ich mir ganz fest vorgenommen“, versichert Wolfgang Doleschall.
Auf die Frage, wie es ihm dabei ergangen ist, um Hilfe zu bitten, antwortet Wolfgang Doleschall: „Ja, man schämt sich, zur Sozialberatung gehen zu müssen, Hilfe annehmen zu müssen. Es soll keiner sehen, dass man dort hingeht. Noch schlimmer war es für mich beim soma. Niemand sollte wissen, dass ich dort einkaufen muss, dass ich froh bin, dort ein Brot um 50 Cent kaufen zu können.“