Schnelle Hilfe vor Ort

Das Wochenende Mitte September 2024 wird wohl noch sehr lange in Erinnerung bleiben. Die Lage in Niederösterreich war hochdramatisch. Flächendeckender Dauerstarkregen, orkanartige Sturmböen und Hochwasser in bisher nicht gekanntem Ausmaß. Kleine Bäche wurden zu reißenden Fluten. Keller, Wohnungen und Häuser standen unter Wasser und ihre Bewohner*innen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Ganz Niederösterreich wurde am Sonntag, 15. September, zum Katastrophengebiet erklärt. Die Krisenstäbe der Caritas wurden bereits im Vorfeld aktiviert. Schon am Samstag hat die Caritas eine österreichweite Hochwasser-Hotline für Betroffene eingerichtet, um finanzielle Soforthilfe leisten zu können. Und es war klar: Erst wenn die Pegelstände wieder fallen, wird das gesamte Ausmaß dieser Katastrophe sichtbar werden. Das heißt: Unsere Hilfe wird einen langen Atem haben müssen. Von Anfang an war die Caritas in engem Austausch mit den Krisenstäben des Landes, mit den Pfarren in den betroffenen Gemeinden und mit unseren Einrichtungen. Vor allem unsere mobilen Dienste, wie etwa die Hauskrankenpflege, waren massiv betroffen. 
 

Ein Teil unserer 4.000 Kundinnen und Kunden konnte nicht wie gewohnt versorgt werden, da mehr als 100 Straßensperren es unmöglich machten, zu den Personen zu gelangen. Ein Betreuungsnetz aus Angehörigen und Nachbar*innen wurde koordiniert, um auch weiterhin für die Menschen da sein zu können.
 

Aber auch Einrichtungen der Caritas wurden zum Teil schwer in Mitleidenschaft gezogen, wie zum Beispiel das Wohnhaus Lilienfeld für Menschen mit Behinderungen. Das Wasser drang durch Türen, Böden und Abflüsse ins Gebäude ein. Innerhalb kürzester Zeit stand das gesamte Erdgeschoss bis zu 20 Zentimeter unter Wasser. Dank des schnellen Handelns unserer Betreuungskräfte konnten alle Bewohner*innen rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden, und auch die Feuerwehr unterstützte mit Sandsäcken vor den Eingangstüren.
 

„Diesen Tag werde ich nie vergessen“

„Dieser Sonntag, an dem das Wasser kam, wird mir für immer in Erinnerung bleiben“, erzählt Lothild Weyrer. Die 80-jährige rüstige Pensionistin lebt allein in Haunoldstein, einer Gemeinde in Niederösterreich, die ganz besonders von der Hochwasserkatastrophe betroffen war. „Am Samstagabend bin ich noch in den Keller gegangen, da es ja gar nicht mehr zu regnen aufhören wollte, da habe ich schon gesehen, dass das Grundwasser eindringt und die Pumpe aktiviert“, erinnert sich Lothild Weyrer. Am Sonntagmorgen war dann bereits der Strom weg und die Pielach, die ca. 30 Meter unterhalb des Hauses von Lothild Weyrer vorbeifließt, war schon weit über die Ufer getreten, hatte die Straße überschwemmt und stand schon bis zur Hauseinfahrt. „Ich habe dann zur Sicherheit meinen Rucksack gepackt mit allen Dokumenten, Geld und trockener Kleidung, um gerüstet zu sein“, erzählt die Pensionistin. 
 

Kurz nach Mittag ist das Wasser dann ins Haus eingedrungen und schnell auf einen halben Meter angestiegen. Durch das Küchenfenster hat Lothild Weyrer gesehen, dass ständig Hubschrauber vorbeigeflogen sind und Ausschau nach eingeschlossenen Menschen halten. „Ich habe mich bemerkbar gemacht, in der Hoffnung, dass sie mich sehen.“ Sie versuchte wieder, die Feuerwehr zu erreichen. „Und plötzlich hat sich der Hubschrauberpilot bei mir gemeldet, ich solle mich für die Evakuierung bereitmachen. Dann habe ich gesehen, dass sich ein Rettungsmann mit dem Seil neben dem Schlafzimmerfenster herunterlässt. Ich bin aus dem Fenster ins Wasser gesprungen, er hat mich angeseilt und wir sind hochgestiegen. Die Kälte und den Sturm habe ich in der Luft trotz der klitschnassen Kleidung aufgrund der Aufregung gar nicht gespürt“, kann es Lothild Weyrer immer noch nicht fassen. „Kurz später bin ich dann zu der Akuthilfe-Sprechstunde der Caritas in Haunoldstein gegangen, dort gab es eine erste finanzielle Unterstützung und viel Zuspruch.

Akuthilfebüros der PfarrCaritas

Unmittelbar nach dem Hochwasser sind die Soforthilfeaktionen der PfarrCaritas angelaufen. Ab 19. September wurden Tag für Tag insgesamt 35 Büros für Akuthilfe-Sprechstunden in den vom Hochwasser betroffenen Gemeinden eingerichtet. Die erste derartige Sprechstunde fand in Böheimkirchen statt: „Der Andrang war unglaublich“, so damals PfarrCaritas-Leiter Christian Köstler, der mit seinem Team die Sprechstunden für die Hochwasser-Akuthilfe durchgeführt hat. „Die Menschen sind verzweifelt, es sind viele Tränen geflossen, manche haben einfach alles verloren und die einzig trockene Kleidung ist jene, die sie am Körper tragen. Es kommen alte alleinstehende Menschen genauso wie die junge Familie mit Baby, sie alle haben jetzt keine Wohnung mehr und versuchen, irgendwo notdürftig unterzukommen. Was alle, die heute da gewesen sind, eint, ist ihre unglaubliche Dankbarkeit für jede Hilfe und die Möglichkeit, über das Erlebte zu reden.“

Der Andrang bei den Akuthilfe-Sprechstunden war unglaublich. Manche haben einfach alles verloren. Was aber alle geeint hat, war ihre unglaubliche Dankbarkeit für jede Hilfe und die Möglichkeit, über das Erlebte zu reden.

Christian Köstler

Neben einer finanziellen Soforthilfe gehörten auch carla- und Lebensmittel-Gutscheine zum Hilfsangebot der Caritas. Auch Anträge zur Unterstützung durch „Österreich hilft Österreich“ wurden ausgefüllt. Die Aktion war als schnelle Überbrückung gedacht, bis Mittel aus den Katastrophenfonds bei Betroffenen eintreffen oder Versicherungen mögliche Schäden zahlen. Auch die Pfarrgemeinden sind aktiv involviert. „Wir haben gemeinsam ein Netzwerk der Nächstenliebe aufgebaut, das den Menschen in dieser schwierigen Zeit zeigen sollte: Wir lassen euch nicht allein“, so Caritas-Generalsekretär Christoph Riedl. 
Gleichzeitig hat sich die Caritas aber auch schon darauf vorbereitet, in den Tagen nach dem Unwetter mit Freiwilligen bei Aufräumarbeiten zu helfen. Mehr als 200 Personen sorgten bei Freiwilligeneinsätzen in den ersten Tagen für die rasche Beseitigung von Schlamm und Unrat. Darüber hinaus hat die Caritas-Familienberatung ein kostenloses Angebot für Menschen ins Leben gerufen, die über Erlebtes sprechen wollten – sei es per Telefon oder persönlich. 2.469 Anträge mit einem Volumen von 3,3 Millionen Euro wurden von der Caritas im Rahmen der Überbrückungshilfe von „Österreich hilft Österreich“ abgewickelt. Dazu kommen Lebensmittel- und carla-Gutscheine im Wert von 106.000 Euro. Man kann also mit gutem Gewissen sagen: Die Hilfe kommt an. Schnell und unbürokratisch. 
 

Zahlen und Fakten

  • 2.323 Personen, die vom Hochwasser betroffen waren, erhielten Caritas-Soforthilfe in der Höhe von 325.000 Euro direkt ausbezahlt.

  • 18.655 Kontakte gab es in der Sozialberatung. Nothilfe sowie der sozialen Rechtsberatung. In Summe wurden 1.379.462 Euro an Unterstützungsleistungen für akute Notsituationen in Form von Gutscheinen, Mietzuschüssen oder Energiekosten- übernahme geleistet.

  • 128 Haushalte wurden zur Wohnungssicherung kostenlos beraten und die Wohnungen gesichert.