Hilfe annehmen können

336.000 Menschen in Österreich gelten als absolut arm,1,3 Millionen sind armutsgefährdet. Vor allem Frauen haben ein hohes Risiko, von Armut betroffen zu sein. Und das Risiko steigt deutlich an, wenn auch eine psychische Erkrankung vorliegt. Betroffene Frauen finden auch Hilfe im Club Aktiv der Caritas.

Es sind vor allem Frauen, die von Armut betroffen sind. 35 Prozent mehr Frauen als Männer sind von absoluter Armut betroffen. Darüber hinaus sind 41 Prozent der Alleinerzieherinnen armutsgefährdet. Ein Umstand, den wir als Caritas auch in unseren Sozialberatungsstellen bemerken. Seit der hohen Inflation bleibt die Nachfrage nach Hilfe und Unterstützung hoch. Auch 2024 waren es an die 20.000 Kontakte, die wir in unseren Sozialberatungs- und Nothilfestellen in der Diözese St. Pölten verzeichneten. Eine Gruppe von Frauen wird bei Statistiken und Betrachtungen von Armut jedoch oft vergessen: Personen mit einer psychischen Erkrankung bzw. einer Suchterkrankung. „Laut statistischen Daten ist in Österreich jede vierte Person im Leben von einer psychischen Erkrankung betroffen. Viele Menschen sind durch Überlastung und Überforderung an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit oder durch eine psychische Erkrankung so beeinträchtigt, dass sie vorübergehend oder dauerhaft nicht ausreichend arbeitsfähig sind. 

Psychische Erkrankungen sind nicht sichtbar, die Betroffenen sind jedoch schwer krank“, erklärt Angelika Karner, Regionalleiterin des PsychoSozialen Dienstes in St. Pölten. „Für Angehörige und die soziale Umwelt sind Rückzug aus Freundschaften, Einsamkeit, Erschöpfungszustände und Antriebslosigkeit oder auch schwierige Familiensituationen Zeichen der psychischen Erkrankung. Das ständige Leben in Armut belastet die Psyche zusätzlich“, so Angelika Karner.
Was Armut infolge von psychischer Erkrankung bedeutet, haben auch Silvia Bawaronschütz und Helga Oberndorfer erfahren müssen. Sie werden vom PsychoSozialen Dienst der Caritas begleitet und besuchen regelmäßig den Club Aktiv in St. Pölten. Ihre Lebensgeschichten sind geprägt von Gewalterfahrungen durch ihre Ehepartner, den Verlust des Kontakts mit ihren Kindern und vom Gefühl der Überforderung. Mit Alkohol hat Silvia Bawaronschütz früher versucht, den Schmerz, das Gefühl der Leere und die Depressionen zu betäuben. Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes reicht die Sozialhilfe gerade so zum Überleben. Gutes Leben war es keines, wie sie erzählt: „In den vergangenen zwei Jahren, als die Energiekosten so hoch geworden sind, habe ich das Gas abgemeldet und meine Wohnung nicht mehr geheizt. Es war einfach nicht mehr leistbar. Der Jänner war am schlimmsten. Da hatte es in meiner Wohnung nicht mehr als 
zwölf Grad. Wäsche trocknen war ein Ding der Unmöglichkeit. Das Badezimmer habe ich mit Grabkerzen ein wenig gewärmt. Dabei ist mir fast ein Unglück passiert und die Wohnung war sehr verqualmt.“  
 

Der Club Aktiv ist für uns ein Ort, an dem wir uns wohlfühlen können. Wir kommen jeden Tag, es gibt hier Struktur und viele Aktivitäten, es entstehen Freundschaften und die Gemeinschaft gibt Halt. Die anderen Menschen und die Betreuerinnen schenken uns viel Freude und Kraft.

Silvia Bawaronschütz

Helga Oberndorfer hat mehrere Aufenthalte im Frauenhaus hinter sich und nach der Scheidung alles verloren. „Ich war insgesamt 23 Jahre verheiratet und davon 15 Jahre in der Hölle, häusliche Gewalt war auf der Tagesordnung“, erzählt sie. Mit viel Mühe hat sie sich und ihre Tochter durchgebracht. „Es ist viel passiert“, sagt sie und am meisten leidet sie abgesehen von den Entbehrungen heute darunter, dass der Kontakt zu Tochter und Enkelkindern abgebrochen ist. 
Ihre Rechnungen haben Silvia Bawaronschütz und Helga Oberndorfer immer erst nach der zweiten Mahnung gezahlt. Eine Herausforderung ist aufgrund der Preise für beide auch nach wie vor der Lebensmitteleinkauf. Eingekauft wird im Sozialmarkt und gekocht mit den Lebensmitteln, die es dort gerade im Angebot gibt. Einige Male konnte auch die Caritas bei Mietzahlungen oder Energiekosten helfen. Hilfe anzunehmen, war aber generell aus Gründen der Scham und Stigmatisierung oft schwierig. „Ich habe mir das selbst eingebrockt, ich muss es auch selbst auslöffeln, war immer ein Spruch, der mich geprägt hat“, so Silvia Bawaronschütz. 

Frauen besonders betroffen

Wie schwierig es sein kann, Hilfe anzunehmen, bestätigt auch Angelika Karner: „Armut kann eine Folge von psychischer Erkrankung und Suchtproblemen sein. Auch hier sind Frauen besonders betroffen. Meiner Erfahrung nach wird die Erkrankung von den betroffenen Frauen sehr individuell erlebt und verarbeitet, wobei Faktoren wie Persönlichkeit, Lebenserfahrung und Resilienz eine Rolle spielen. Soziale Abhängigkeiten, Stigmatisierung, Isolation, fehlendes Selbstwertgefühl belasten die Klientinnen sehr. Durch den zusätzlichen Stressfaktor Armut können sich Symptome von Depressionen, Angstzustände und andere psychische Erkrankungen verstärken. Vielen Frauen fällt es häufig zumindest anfangs sehr schwer, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen.“ Frau zu sein, psychisch krank zu sein und von Armut betroffen zu sein. Diese Kombination erschwert das Leben der betroffenen Frauen. 
Der PsychoSoziale Dienst mit dem Club Aktiv bietet Schutzräume für die Psyche und Begegnungsorte. Über die Betreuung durch den PsychoSozialen Dienst der Caritas sind auch Silvia Bawaronschütz und Helga Oberndorfer in den Club Aktiv gekommen. Der Club ist ein wichtiges Angebot für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Hier finden regelmäßige Treffen in geschützter Atmosphäre mit fachlich kompetenter Begleitung statt, die Isolation und Rückzugstendenzen entgegenwirken: „Der Club Aktiv ist für uns ein Ort, an dem wir uns wohlfühlen können. Wir kommen jeden Tag, es gibt hier Struktur und viele Aktivitäten, es entstehen Freundschaften und die Gemeinschaft gibt Halt.“

Zahlen und Fakten

  • 884 Klient*innen besuchten an 12 Standorten den Club Aktiv.

  • 3.431 Klient*innen wurden vom PsychoSozialen Dienst betreut.

  • 388 Klient*innen wurden in der Wohnassistenz betreut.

  • 64 Klient*innen leben in den PsychoSozialen Wohnhäusern Paudorf und Zwettl.

  • 111 Klient*innen arbeiten in den PsychoSozialen Tagesstätten Paudorf und Zwettl.