Wenn Frauenarmut zur Familienarmut wird

Die Familienhilfe PLus unterstützt Familien, die nicht nur vorübergehend in einer Akutsituation Unterstützung brauchen, sondern die grundsätzlich mit den täglichen Aufgaben im Familienleben nur schwer zurechtkommen. Frauen- und Kinderarmut wird dabei leider nur zu oft sichtbar.

Die Familienhilfe PLus (PLus = praktische Lebensunterstützung) hilft Familien in schwierigen Lebenssituationen direkt vor Ort in den Familien und wird durch die niederösterreichische Kinder- und Jugendhilfe beauftragt. „Am Beginn eines Einsatzes werden in einem gemeinsamen Gespräch vonseiten der Behörde, der fachlichen Leitung von Familienhilfe PLus, der Familienhelferin und der Familie selbst konkrete, verbindliche Ziele gesteckt. Eine Veränderung und Verbesserung der Situation sollen erreicht werden“, erzählt Judith Baumgartner, Leiterin der Caritas Familienhilfe PLus. In den folgenden Monaten versucht die Familienhelferin, Schritt für Schritt mit der Familie an den Problemen zu arbeiten. 
Dabei zählen schon kleine Erfolge, zum Beispiel, wenn Mütter und Väter lernen, wie sie sich mit ihren Kindern entwicklungsfördernd beschäftigen können, oder wenn die Kinder regelmäßig eine warme Mahlzeit bekommen, Arzt- und Therapietermine eingehalten werden. Für sechs Monate ist die Familienhelferin Bezugsperson für Kinder und Eltern. Eine Verlängerung der Betreuung bis zu einem Jahr ist möglich. Die Familienhelferin kommt verpflichtend zwei Mal in der Woche in die Familien und wird oft zu einer sehr wichtigen und zentralen Bezugsperson für Kinder und Eltern.

n vielen dieser Familien wird Armut sichtbar, die sonst oft für Außenstehende verborgen bleibt. Beispiele dafür gibt es viele. Familien, die ihren Wohnraum nicht ausreichend heizen können, wo es kaum Lebensmittel im Kühlschrank gibt, wo selbst einfacher Hausrat wie ausreichendes Besteck oder Geschirr fehlt, um gemeinsam essen zu können, wo im Kinderzimmer keine Spielsachen und kein einziges altersgerechtes Bilderbuch zu finden sind. Ganz banale Dinge haben dann große Wirkung: „Erst vor Kurzem hat mir eine Mitarbeiterin berichtet, wie glücklich die Kinder waren, als sie gemeinsam mit ihnen Muffins gebacken und Kakao gekocht hat“, erinnert sich Judith Baumgartner. „Wir erleben in unserer täglichen Arbeit aber auch die direkten Auswirkungen von Frauenarmut“, weiß die Leiterin der Familienhilfe PLus. „Wir betreuen Frauen, die seit Jahren nicht mehr beim Friseur waren und aufgehört haben zu lachen, weil sie sich den Zahnersatz nicht leisten können. Wir betreuen Mütter, die an Schlafstörungen leiden, weil sie unter ständiger Anspannung und psychischen Belastungen stehen. 

Wir betreuen Frauen, die seit Jahren nicht mehr beim Friseur waren und aufgehört haben zu lachen, weil sie sich den Zahnersatz nicht leisten können. Wir betreuen Mütter, die an Schlafstörungen leiden, weil sie unter ständiger Anspannung und psychischen Belastungen stehen.

Judith Baumgartner

Armut ist oft mit Scham behaftet

Frauenarmut ist in unserem Betreuungskontext immer auch mit Kinderarmut verbunden“, betont Judith Baumgartner. „Viele der betroffenen Frauen sind Alleinerzieherinnen, sind aufgrund von Sorgearbeit – also Kinderbetreuung, Pflege und Hausarbeit – nicht erwerbstätig oder teilzeitbeschäftigt und verdienen in Berufsfeldern weniger als ihre männlichen Kollegen bzw. sind mit massiven Einschränkungen bei ihren Pensionsansprüchen konfrontiert. Häufig befinden sich diese Frauen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen. Abhängigkeiten bis hin zu Gewaltbeziehungen sind die Folge und wirken sich insgesamt negativ auf die psychische Gesundheit aus“, so Baumgartner. 

Dass sich Frauenarmut bis in die Pension ziehen kann, zeigt das Beispiel einer 70-jährigen Großmutter, die sich anstelle der Eltern um ihre Enkelin kümmert. Sie bekommt Mindestpension und kein Pflegegeld für das Kind. Um über die Runden zu kommen, arbeitet sie zusätzlich als Reinigungskraft, damit sie beide gut versorgen kann. Sie hat das Glück, dass sie für ihr Alter noch sehr rüstig ist – was aus ihr und dem Kind wird, wenn sie körperlich nicht mehr so fit ist, bleibt aber fraglich. Armut ist zudem sehr oft mit Scham behaftet. Judith Baumgartner erzählt von einer Mutter, die hofft, dass nicht bald wieder ein Schulausflug ansteht, der bezahlt werden muss. Oder von Frauen, die Arzttermine vermeiden, weil sie zu viel verdienen, um von der Rezeptgebühr befreit zu sein, aber zu wenig, um sich 7,55 Euro leisten zu können.  

Die Familienhilfe PLus unterstützt beim Sortieren bzw. Organisieren von Unterlagen, beim Verfassen von Anträgen oder Briefen. Die Familienhelferinnen informieren über Ansprüche bzw. vermitteln die Betroffenen zu entsprechenden Behörden oder Angeboten (z. B. Sozialberatung, Rechtsberatung, Schuldnerberatung, Sozialmarkt, carla Secondhand). 
Sie helfen Familien auch mit Sachspenden, Windelgutscheinen und in Einzelfällen bei akutem Bedarf mit individuellen, bedarfsgerechten finanziellen Zuwendungen oder stellen Anträge auf Unterstützung bei Vereinen oder Fonds. „Zentrale Aufgabe bleibt es, die Familie lebenspraktisch zu unterstützen und zu stärken. Dabei steht der Kinderschutz im Vordergrund“, betont Judith Baumgartner. „Man sieht direkt, was die Arbeit und der Einsatz in der Familie bewirken“, weiß die Leiterin der Familienhilfe PLus, „und dass durch zielgerichtete Unterstützung das Leben der Familien ein Stück einfacher wird und die Kinder in einem liebevolleren Zuhause aufwachsen können.“
 

Zahlen und Fakten

  • 46 Frauen und Kinder erfuhren Geborgenheit und Begleitung im Mutter-Kind-Haus.

  • 13.413 Einsatzstunden für 149 Familien im Rahmen der Familienhilfe

  • 102 betreute Familien mit 16.524 Einsatzstunden praktischer Lebensunterstützung durch die Familienhilfe PLus

  • 149 Kinder erhielten Lernbegleitung in 4 Lerncafés.