Die Caritas St. Pölten betreut und begleitet in Werkstätten, Wohnhäusern, in teilbetreuten und begleiteten Wohngemeinschaften, mit der Wohnassistenz, in Recyclingbetrieben sowie in carlas rund 1.000 Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung.

Seit mehr als 45 Jahren bemühen sich Betreuer*innen dabei um eine wertschätzende Atmosphäre und darum, Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Sie versuchen, die Bedürfnisse der Menschen mit Beeinträchtigung zu verstehen, und begleiten sie auf ihrem Weg. Das vorrangige Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderungen sich in ihren vier Wänden, aber auch in ihrer Arbeit wohlfühlen, sich zu Hause fühlen. Sie sollen ihr Leben gestalten, soziale Beziehungen leben, wachsen, sich entwickeln können. 
Lisa Koppensteiner und Eva Maria Ess kennen sich schon seit ihrer Kindheit, waren gemeinsam in der Schule und sind später dann auch gemeinsam in das Wohnhaus für Menschen mit Behinderungen in St. Leonhard am Melkfeld eingezogen. Vor rund einem Jahr haben die beiden Freundinnen ihre eigene Wohnung bezogen, und zwar in einer teilbetreuten Wohngemeinschaft. Das heißt, die Wohnung muss in einem bestimmten Umkreis des Wohnhauses St. Leonhard liegen und wird auch von dort aus mitbetreut. „Täglich kommt eine Betreuerin aus dem Wohnhaus und hilft Lisa und Eva Maria, im Alltag zurechtzukommen“, erzählt Wohnhausleiterin Marion Lebhard. „Sie gehen gemeinsam einkaufen, machen einen Wochenplan für Kochen und Hausarbeit und besprechen verschiedene Termine, die anstehen, wie zum Beispiel Besuche beim Arzt oder die Reitstunden in einem nahe gelegenen Pferdehof.“ Schon länger haben Lisa und Eva Maria immer wieder den Wunsch geäußert, selbstständig wohnen zu wollen. 

Leben wie ich will

Und sie fühlen sich in ihrer eigenen Wohnung auch sehr wohl, das kann man sehen. Die Einrichtung und die Farben der Wände haben sie mitausgesucht, alles wirkt sehr hell, aufgeräumt und freundlich. Jede hat ihr eigenes Zimmer, um sich auch zurückziehen zu können. Ein Blickfang in der Küche ist der große mintfarbene Kühlschrank im Retrostyle, an dem auch die Pläne für die Hausarbeit mit Magneten festgemacht sind. Dieser Plan ist besonders wichtig, damit beide jeweils im Wochenverlauf genau wissen, was schon gemacht wurde bzw. was noch erledigt werden muss. „Bevor Lisa und Eva Maria umgezogen sind, haben sie im Wohnhaus bereits längere Zeit die tägliche Hausarbeit trainiert und auch das Kochen geübt und alles, was zum selbstständigen Wohnen dazugehört“, berichtet Marion Lebhard. 
Wenn die beiden Freundinnen unter der Woche zur Arbeit fahren, stehen sie bereits um 6 Uhr in der Früh auf, erzählt Lisa. Sie bereiten sich das Frühstück, machen sich fertig und fahren dann gemeinsam mit dem öffentlichen Bus in die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen nach Mank. Dort arbeiten sie im Verkaufsladen „SoBio“, wo Produkte und selbst hergestellte Lebensmittel wie Marmeladen, Kräuter und Liköre aus der Werkstatt angeboten werden. Am späten Nachmittag kehren sie in ihre Wohnung zurück. „Den Abend verbringen wir am liebsten im Wohnzimmer mit UNO-spielen“, sagt Lisa. Ganz besonders gefreut haben sich Lisa und Eva Maria, als im vergangenen Herbst ein Facebook-Posting der beiden auf der Seite der Caritas St. Pölten mit einem Foto am Balkon ihrer ersten gemeinsamen Wohnung rekordverdächtig viele Likes erhalten hat. „Darüber haben wir uns total gefreut, dass wir von so vielen Menschen Zustimmung, Anerkennung und positive Kommentare erhalten haben“, sind Lisa und Eva Maria immer noch begeistert. 
Den Entschluss, in eine eigene Wohnung zu ziehen haben Lisa und Eva Maria keinen Moment bereut. „Wir sind sehr glücklich, dass wir unsere eigene Wohnung haben und uns hier auch zurückziehen können. Endlich selbstständig und für sich sein zu können, das ist wunderschön“, betonen Lisa und Eva Maria zum Abschluss.
 

"Wir sind sehr glücklich, dass wir unsere eigene Wohnung haben und uns hier auch zurückziehen können. Endlich selbstständig und für sich sein zu können, das ist wunderschön."

 

Lisa und Eva Maria

Leben in Vielfalt

Um den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung gerecht zu werden, braucht es unterschiedliche Wohnformen. Wir fragen uns: Wer braucht wie viel an Unterstützung und wie können wir jede*n Einzelne*n bestmöglich begleiten? Und wie können wir auch Übergänge ermöglichen und gut begleiten? Während in einem Wohnhaus eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung zur Verfügung steht, ist im teilbetreuten Wohnen kein Nachtdienst mehr nötig, die Unterstützung bzw. Beratung bezieht sich z. B. auf die gemeinsame Wochenplanung. In der Wohnassistenz schließlich sind es vereinbarte Stunden (bis zu 28 pro Monat), die individuell mit den Betroffenen vereinbart werden. Die Begleitung findet in der eigenen Wohnung der Person statt.

Viele Themen beschäftigen uns im Fachbereich Wohnen. So muss in Zukunft in Wohnhäusern vor allem auch die medizinische Versorgung und Pflege der (immer älter werdenden) Bewohner*innen sichergestellt werden. Grundsätzlich geht es aber um die höchst unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner*innen im jeweiligen Wohnsetting. Dazu zählen z. B. die Unterstützung beim (Er-)Leben von Beziehungen und Partnerschaften, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, die Freizeitgestaltung. Die Selbstbestimmung der Bewohner*innen zu stärken und Wahlmöglichkeiten zu bieten, gehört zu den wichtigsten Aufgaben in der Betreuung!

Es gilt also, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse abgestimmte Betreuungsangebote zu setzen, unterschiedliche Wohnkonzepte zu verwirklichen und dazu die personellen Ressourcen für die Betreuung und Begleitung sicherzustellen. All das sehen wir auch in Zukunft als unseren Auftrag.

Zahlen und Fakten

343 Frauen und Männer

leben in 18 Wohnhäusern für

Menschen mit Behinderungen

212 Frauen und Männer

werden durch die

Wohnassistenz begleitet

753 Frauen und Männer

arbeiten in 16 Werkstätten für

Menschen mit Behinderungen

141 Frauen und Männer

sind in 3 Recyclingbetrieben

beschäftigt

16 Frauen und Männer

mit Beeinträchtigung arbeiten

in den carlas Krems und Vitis

3.178 Besucher*innen

bei den Treffpunkten

zur Freizeitgestaltung

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