„Ich darf die Hoffnung
Explodierende Lebensmittelpreise, gestiegene Mieten und die Rekord-inflation haben spürbare Folgen. Unsere Sozialberatungsstellen sowie die Energiesparberatung verzeichneten auch 2023 steigende Anfragen und unsere Sozialmärkte brauchen immer mehr Lebensmittelspenden, um die große Nachfrage decken zu können.
Teuerung, Inflation und hohe Mieten sind nun endgültig in der Mittelschicht angekommen, viele können sich das Leben ohne drastische Abstriche kaum mehr leisten. „Strom. Gas. Wärme. Holz. Öl. Pellets. Verzweifelte Anrufe. Existenzängste sind bei uns in der Sozialberatung im Vordergrund. Vor allem, wenn es um die Begleichung von Jahresabrechnungen geht“, erzählt Sozialberaterin Beate Wildthan. „Wenn man sagt, es gäbe keine Armut in Österreich, fehlt es meiner Meinung nach an Empathie. Es ist eine falsche Wahrnehmung der Lebensrealität.
„Vor allem die vielen Anfragen von Mindestpensionist*innen machen mich in meiner täglichen Arbeit sehr betroffen. Es sind vorwiegend alleinstehende Frauen, die mit einer Pension von 1.030 Euro Miete, Energie und Lebenserhaltungskosten stemmen müssen. Wenn wir dann in der Sozialberatung gemeinsam ausrechnen, wie der Lebensalltag zu meistern ist, kommt meist eine Nullsumme oder eine Zahlungsunfähigkeit heraus“, weiß die Sozialberaterin.
„Vor Kurzem ist eine Familie mit vier Kindern in die Beratung gekommen. Das jüngste ist acht Monate alt. In der Wohnung wird mit Strom geheizt. Die Angst vor der Jahresabrechnung ist so hoch, dass sie die Wohnung nicht beheizen“, so Beate Wildtahn. Nur mit dicker Winterkleidung in der Wohnung kommen Familien wie diese durch den Winter. Warme Mahlzeiten sind für viele Klient*innen ebenfalls eine große Herausforderung. Denn jede warme Mahlzeit kostet Strom oder Gas – und das ist für viele nicht leistbar.
Manche Klient*innen können sich nicht einmal eine Anreise nach St. Pölten oder Krems für eine Beratung leisten. Deshalb versucht die Sozialberatung, auch telefonisch oder digital zu beraten.
Energiesparberatung: Strom sparen, Geld sparen
Stark in Anspruch genommen wird seit dem Vorjahr auch die Energiesparberatung. Alte Haushaltsgeräte sorgen oft für eine höhere Stromrechnung, bei geringem Einkommen eine zusätzliche Belastung. Das Umweltministerium bietet seit dem Vorjahr armutsgefährdeten Menschen deshalb eine kostenlose Energieberatung an, zum Teil gibt es auch Neugeräte gratis.
Die kostenlose Förderung steht Personen mit geringem Einkommen zur Verfügung. Anspruchsberechtigt sind all jene, die vom Rundfunkbeitrag befreit sind oder einen Heizkostenzuschuss der Länder, Wohnbeihilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichshilfe in Anspruch nehmen. Sofern keine dieser Hilfen bezogen wird, kann auch die Sozialberatungsstelle den Anspruch des Haushalts bewerten und hierzu berechtigen. Energiesparberater Wolfgang Studeny ist neben dem Waldviertel auch für Krems, Tulln, St. Pölten-Land und den Norden des Bezirkes Melk zuständig. Er fährt von Klient*in zu Klient*in und berät vor Ort. Zuerst erfolgt eine kurze Bestandsaufnahme: Es wird etwa die Wassertemperatur gemessen, ob diese nicht zu hoch ist, oder die Heizung kontrolliert – denn auch das kostet unnötig Energie. Anschließend geht es auch schon an die möglicherweise zu tauschenden Geräte. Ist ein Gerät tatsächlich schon alt und ineffizient, wird ein Antrag für den Gerätetausch ausgefüllt. Dann dauert es rund vier bis sechs Wochen, bis das Gerät geliefert wird. Das alte Gerät wird abgeholt und entsorgt, das neue installiert und erklärt. Für die Klient*innen entstehen keine Kosten. „Am häufigsten treffe ich auf Mindestpensionistinnen“, erzählt Wolfgang Studeny. „Die Frauen haben ihr Leben lang gearbeitet, oft unbezahlt etwa in Form von Care-Arbeit, und wissen nicht mehr, wie sie die Stromrechnung bezahlen sollen. Von einem neuen Elektrogerät ganz zu schweigen. Der älteste Kühlschrank, den ich getauscht habe, war 48 Jahre alt.“
„Unsere Klient*innen gehen arbeiten, kommen aber mit ihrem Einkommen nicht mehr aus. Oder sind Mindestpensionist*innen, die einfach nicht mehr Geld haben. Diese Menschen können sich nur noch einmal Mal pro Woche eine warme Mahlzeit machen, um Energiekosten zu sparen. In einem Land wie Österreich ist das erschreckend“, so Beate Schneider, Leiterin der Caritas-Inlandshilfe. „In unserer Leistungsgesellschaft heißt es, wenn man gut arbeitet, lebt man auch gut. Dieses Prinzip stimmt jedoch nicht mehr. Für viele heißt es heute: Egal, wie sehr wir uns anstrengen, es wird immer noch zu wenig sein.“