Die Caritas-Familienberatung und Psychotherapie gibt es kostenfrei und anonym in fünfzehn Beratungsstellen in allen Bezirkshauptstädten im Gebiet der Diözese St. Pölten.
„Vor der Coronakrise waren es eher klassische Gründe, aus denen Familien, Paare oder Einzelpersonen in die Beratung gekommen sind, wie zum Beispiel Probleme in der Beziehung, eine bevorstehende Trennung oder Schwierigkeiten mit der Erziehung der Kinder“, erzählt Sabine Scharbert, Leiterin der Caritas-Familienberatung und Psychotherapie. Aufgrund der Pandemie sind weitere Thematiken dazugekommen. „Während der Lockdowns wurde immer auch telefonische Beratung und Videoberatung angeboten“, so Sabine Scharbert weiter. „Jeweils danach ist die Nachfrage, in die Beratung zu kommen, stark gestiegen. Beziehungsprobleme haben sich aufgrund des Lockdowns verstärkt, die Situation in den Familien hat sich zugespitzt, das ist eindeutig zu bemerken“, weiß die Beraterin. Dazu kommen die Überforderung der Eltern mit Homeschooling und gleichzeitigem Homeoffice und nur wenige Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten.
Kinder und Jugendliche leiden zunehmend unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie, unter Konflikten im familiären Umfeld, beengten Wohnverhältnissen oder Jobverlust der Eltern. Schulische Routinen fehlen, soziale Kontakte zu Gleichaltrigen sind stark eingeschränkt und machen damit wichtigen Austausch und Weiterentwicklung schwer bis unmöglich. „Hinzu kommt die Tatsache, dass auch Eltern selbst vom Lockdown betroffen sind. Hier kommt neben der psychischen Belastung oft noch der wirtschaftliche Druck dazu, wenn die Eltern etwa von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit betroffen sind oder wichtige Unterhaltszahlungen plötzlich ausbleiben“, berichtet Sabine Scharbert.
Ein Teufelskreis beginnt ...
„Bei den Kindern und Jugendlichen häufen sich Depressionen, Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Schlafstörungen, Computersucht, sozialer Rückzug und Aggressivität“, weiß die Leiterin der Familienberatung und Psychotherapie. So wie bei der zwölfjährigen Lena. Schon vor der Coronakrise hat sie sich in Situationen schwergetan, in denen sie unter vielen Menschen sein musste. Zum Beispiel beim Busfahren oder in der Klasse, wenn sie vor allen sprechen sollte. Im Lockdown sind die Schulen geschlossen, Treffen mit Freundinnen untersagt. „Im ersten Moment bedeutet das für das Mädchen sogar eine Entlastung, sie muss sich den Situationen, die sie ängstigen, nicht mehr aussetzen. Nicht mehr in der Klasse vor allen sprechen, den Freundinnen nicht mehr absagen“, erzählt Sabine Scharbert. Doch der Schein trügt. Es geht mehr und mehr die Tagesstruktur verloren.
Auch in einer Videokonferenz vor den MitschülerInnen zu sprechen, erweist sich als große Belastung. Die Stimmung verschlechtert sich, es kommt zu Antriebslosigkeit und Schlafstörungen. Es wird immer schwerer, den schulischen Anforderungen gerecht zu werden und dem Unterricht zu folgen. Der Druck der Eltern steigt. Auf der einen Seite machen sie sich Sorgen um ihre Tochter, fühlen sich hilflos und wissen nicht, wie sie helfen können. Auf der anderen Seite bauen sie in Bezug auf die schulischen Belange Druck auf. Je höher der Druck, umso schwerer fällt es dem Mädchen, sich den schulischen Herausforderungen zu stellen. Ein Teufelskreis beginnt ...