Halbzeit beim Neubau
Am Anfang war es schwierig, genug Kinder für die Schule zu finden. Nicht dass es keine gegeben hätte, aber dass Kinder aus afghanischen Flüchtlingsfamilien in Pakistan zur Schule gehen, war schlichtweg neu. Besonders erfreulich ist, dass es nun gelungen ist, den Neubau der Schule zu starten und voranzutreiben, erzählt Auslandshilfemitarbeiter Andreas Zinggl.
Ingenieur Syed Ali Zaib Shamsi legt großen Wert auf Sauberkeit und Ordnung. Zu seinen ganz persönlichen Herausforderungen zählt daher die tägliche Anreise zur Baustelle am nordwestlichen Stadtrand der Millionenmetropole Lahore. Die Straße, die zum Neubau der „Peace School“ führt, verdient diese Bezeichnung eigentlich nicht. Vielmehr handelt es sich um einen Schotterweg inmitten von Müllbergen mit mehr Schlaglöchern und Wasserlacken als befahrbaren Anteilen. Geschickt kämpft er sich Tag für Tag auf seinem Motorrad durch den Slalom zur Baustelle, stets in der Sorge, dass sein Motorrad schmutzig wird oder Schäden abbekommt.
Alle nennen ihn liebevoll Shamsi. Bemerkungen zu seinem Outfit begegnet er mit dem nötigen Maß an Selbstironie und einem Lächeln. Safety first. Die neongelbe Sicherheitsjacke, die Covid-Schutzmaske, Sonnenbrille und Sonnenschirm sowie der Helm mit der Aufschrift „FACES Pakistan“, der Partnerorganisation der Caritas St. Pölten, und der Bezeichnung seiner Funktion „Civil Engineer“ machen ihn unverkennbar. Man muss ihn nicht lange suchen.
Das Ordentliche prägt auch seinen Arbeitsstil. Nicht ein, sondern gleich zwei Stahlbetongürtel sorgen dafür, dass das Gebäude ein sicheres Fundament erhält. Die Ziegelsteine sind von bester Qualität und werden Stück für Stück von Shamsi kontrolliert. Lieferant*innen brauchen nicht einmal daran zu denken, dass hier
getrickst werden kann. Nichts entgeht Shamsis Aufmerksamkeit.
Die Schule soll ein Vorzeigeprojekt werden. Auch baulich. Pädagogisch ist die Schule schon lange ein Vorzeigeprojekt. An ihren beiden alten Standorten wurde seit mehr als zehn Jahren bewiesen, dass es möglich ist, Kinder aus afghanischen Flüchtlingsfamilien mit Kindern aus der Umgebung gemeinsam zu unterrichten. Es ist mittlerweile selbstverständlich, dass sich Mädchen und Buben gleichermaßen aus afghanischen Flüchtlingsfamilien und aus pakistanischen Familien in der Schule treffen, dem gemeinsamen Lehrplan folgend eine gemeinsame Sprache lernen.
Zehn Jahre Integration haben viel bewirkt
Die ersten Absolvent*innen haben – mit Unterstützung der Austrian Development Agency (ADA) – jetzt sogar die Möglichkeit, eine Berufsausbildung zu machen. Die Bauarbeiter, die an der Baustelle beschäftigt sind, haben übrigens ihren Beruf auch dort gelernt. Nun arbeiten sie am Aufbau ihres Stadtteils tatkräftig mit. In den letzten Jahren hat sich viel getan. Müllsammeln, die frühere Haupteinnahmequelle in der Siedlung, spielt nur mehr eine untergeordnete Rolle.
Der – teilweise von Mitteln des österreichischen Innenministeriums unterstützte – Neubau der „Peace School“ ist ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Stadtteils. Bis jetzt musste die Schule in gemieteten Objekten untergebracht werden. Willkürlich erhöhte Mietpreise und fehlende Planungssicherheit machten den Schulbau nötig. Auf eigenem Grund (von der Caritas St. Pölten unterstützt) kann sinnvoll und langfristig investiert werden und Kosten für Miete fallen in Zukunft weg. Die Schule ist in der Community nun fix verankert. Das heißt, sie kann auch nicht mehr so einfach beseitigt werden, wenn Grundstücksspekulanten auf den Plan treten, was in der stark wachsenden Millionenstadt Lahore ein Dauerthema ist. Tatsächlich haben sich die Bodenpreise in den letzten beiden Jahren verdoppelt.
Sogar der Strom wird in Zukunft selbst produziert. Am Dach ist eine Solaranlage geplant. Die insbesondere am Stadtrand häufigen Stromausfälle können damit ohne Dieselgenerator abgefedert werden. Das spart nicht nur Treibstoffkosten, sondern erwirtschaftet sogar ein wenig Einnahmen, wenn der Überschuss einmal ins Stromnetz gespeist wird. Einnahmen, die wiederum dem Schulbetrieb zugutekommen werden. Das ist Nachhaltigkeit im besten Sinn (wirtschaftlich, ökologisch und sozial).
Mit freundlicher Unterstützung von: